Im Interview: Ex-Geschäftsführerin Berit Moßbrugger blickt auf die Anfänge von kursfinder.de zurück

Mit Excel-Tabellen und Actionplan auf nach Schweden

Von Vanessa Schäfer

10 Jahre? Da kann Berit Moßbrugger nur ungläubig den Kopf schütteln. Wie schnell die Zeit doch vergeht. Ist es nicht gerade erst gestern gewesen, als sich die 38-Jährige auf diese Stelle in Schweden beworben hat? Diese Stelle, mit der kursfinder.de aus der Taufe gehoben wurde? Acht Jahre hat Berit Moßbrugger die Geschäfte des Unternehmens geleitet, ehe sie sich 2019 nach neuen Herausforderungen umgeschaut hat. Der gute Draht zur ihrem Team und kursfinder.de ist bestehen geblieben. Deshalb blickt sie zum 10. Geburtstag zusammen mit uns zurück auf die Anfänge von kursfinder.de, die in Stockholm liegen. Im Interview verrät sie, wieso 2011 ihr persönliches Superheldenjahr war, welche Herausforderungen ihr in ihrer Zeit als Geschäftsführerin begegnet sind – und weshalb es sich anfangs so gar nicht wie eine gute Idee anfühlte, in diesem Unternehmen zu arbeiten.

Berit, wie bist du dazu gekommen, dich auf eine Stelle in Stockholm zu bewerben?

Ich wollte unbedingt ins Ausland, habe diese Stelle gesehen und gedacht: Das klingt spannend und grundsätzlich nach dem, was ich kann. Das Thema Weiterbildung interessiert mich nachhaltig. Und Schweden? Ich kenne Ikea, also kenne ich schließlich auch die Schweden! Ich habe mich also beworben. Dann hatte ich drei, vier Telefonate mit einem der Gesellschafter, Mattias Säker. Das war sehr sympathisch. Er hat mich zum besseren Kennenlernen nach Schweden eingeladen. Ich konnte allerdings nur am Wochenende, weil ich in meiner ehemaligen Stelle stark eingebunden war. Das war aber auch kein Problem. 

Du hast die Einladung also angenommen. Wie war dein erster Eindruck?

Ich komme in Stockholm an. Es war ein typisches Wochenende im November: Es war grau, es war verregnet. Es war total fürchterlich. Ich dachte: Oh Gott, wo bin ich hier gelandet? Dann komme ich ins Büro, in einen wunderschönen Altbau, ein Stockwerk über einer der größten Anwaltskanzleien Skandinaviens, und mich begrüßt Markus Rydmell, der damalige HR-Manager, und sagt: “Du, Mattias ist krank geworden. Er kann nicht kommen. Ich bin allein.” Ich kannte Markus bis dahin nicht. Das Büro war samstags logischerweise mausleer. Ich mag Markus total gerne, ich habe ihn später ja kennengelernt, er ist sehr kompetent. Aber in diesem ersten Gespräch wusste er auf keine meiner Fragen eine Antwort. Wir sind also durch diese wunderschöne, menschenleere Bude gelaufen, absolute Totenstille und ein HRler, der keine Antworten auf meine Fragen hatte. Ich habe gedacht: Das ist ein Fake, die wollen mich veräppeln. Als ich wieder draußen war, war klar: Das mache ich nicht, irgendetwas stimmt hier nicht. Doch es kam anders! Mattias hat die Woche darauf angerufen, und es war alles sehr nett und verbindlich, so dass ich gedacht habe: Ok, was soll’s? Hör auf deinen Bauch und mach.. (lacht)

Ihr hattet also gewisse Startschwierigkeiten… 

Im Dezember bin ich noch mal nach Stockholm geflogen. Da war schon beschlossen, dass ich im Januar anfangen würde. An dem Tag war unser künftiger Medienpartner “Die WELT” zu Besuch und wollte uns kennenlernen. Mattias wollte, dass ich dazu komme. Ausgerechnet an dem Tag war mein Flieger verspätet. Ich kam viel zu spät und bin mitten ins Meeting gestürzt. Bis dato hatte ich weder Mattias noch Fredrik noch sonst irgendwen in Persona gesehen. Unser Medienpartner “Die WELT” war also dabei, als ich das erste Mal “Hallo” gesagt habe. Ein Kick-Start sozusagen. Aber nach dem Tag war ich beruhigt. Es war klar: Die Leute, mit denen ich bislang telefoniert hatte, gibt es wirklich, hier leben Menschen, hier arbeiten Menschen. Am 1. Januar 2011 bin ich also nach Schweden gezogen, am 2. Januar war mein erster Arbeitstag und dann ging es los.

War die Stelle von Anfang an als Geschäftsführung ausgeschrieben?

Nein! Die Educations Media Group wollte den deutschen Markt erobern und hat nach jemandem gesucht, der die ersten Kunden gewinnt. Eine klassische Sales-Stelle. Vertrieb hatte ich die letzten sechs Jahre gelernt, wusste also, wie das geht. Wobei ich ein bisschen nervös war, weil das Ganze ja nur am Telefon stattfinden sollte. Dass die Leute mich nicht sehen, aber trotzdem etwas kaufen würden, daran hatte ich anfangs meine Zweifel. Aber innerhalb der ersten Wochen hat sich bestätigt, dass das gut geht.

Wie sahen deine ersten Arbeitsschritte bei kursfinder.de aus?

Ich bin nach Schweden gekommen mit meinen Excel-Tabellen und meinem Actionplan. Die ganze Zeit ab November bis Januar habe ich zu Hause gesessen und in jeder freien Stunde  überlegt: Was ist der Actionplan? Was ist der Pitch? Wen sprechen wir als Erstes an? Ich war also bestens vorbereitet und bin mit Actionplan und Excel-Tabellen in Stockholm aufgeschlagen. Und ich glaube, alle schwedischen Kollegen haben damals gedacht: “Wer ist diese Frau? Das ist ja fürchterlich! Kann man sich nicht erst mal kennenlernen? Erst einmal gucken und zuhören?” Es war für sie ein Kulturschock. Ich glaube, die fanden mich ziemlich schräg! Aber ich dachte mir: “Lass mal loslegen hier! Wir müssen ja mal vorankommen.” Da sind die Mentalitäten aufeinander geprallt: das deutsche Geplante und das schwedische Socializing. 

Wie ging das Loslegen genau vonstatten?

Als kurze Zeit später Ingmar da war, war es de facto so, dass wir zugucken konnten, wie die ersten Besucher auf unsere Seite kamen. Wir haben die wirklich virtuell verfolgt. Wow, drei Besucher! Wow, fünf Besucher! Das war aufregend, weil es ja anfangs keine Besucher gab. Wir haben viel telefoniert und mit den ersten Anbietern die ersten Verträge abgeschlossen. Wir haben sie überzeugt mit unseren tollen Referenzen in Skandinavien und England. Wir haben unsere Strategie vorgestellt, nämlich dass wir auf unique Content setzen wollen und ihre Programme einzigartig aufbereiten. Das fanden die Anbieter glaubwürdig. Ich glaube, sie mochten auch, dass wir so schwedisch-sympathisch waren. Und so kamen die ersten Kunden und damit die ersten Inhalte auf kursfinder.de. So ist die Seite schnell gewachsen und wir haben bald Unterstützung von Personen gebraucht, die die Seminare in die Seite einpflegen. 

Gab es anfangs nicht auch viel Frust, weil man vermutlich mit vielen Absagen von Kunden klarkommen musste?

Nein, eigentlich nicht. Ich war es aus meiner Sales-Erfahrung gewohnt, dass das dazugehört. Und wir haben anfangs überraschend viele Abschlüsse gemacht. Das erste Jahr war überhaupt kein Frust, es war super. Wir haben Erwartungen übererfüllt, die die schwedischen Gesellschafter hatten. Weil es in anderen Märkten einfach länger gedauert hat. Sie hatten es schwerer, hatten nicht gleich einen Medienpartner an der Seite. Deshalb haben wir uns im ersten Jahr eher wie Superhelden gefühlt. Frustrierend wurde es erst gegen Ende des ersten Jahren, als Ingmar und mir klar wurde, dass das mit der Suchmaschinenoptimierung nicht so schnell geht, wie wir uns das gedacht hatten. Die Sales-Kurve ging stetig rauf, die Suchmaschinenoptimierungskurve verlief dagegen konstant niedrig. Da habe ich gegen Ende des ersten Jahres eine Panikattacke im Büro bekommen, als ich mir diese statistischen Kurven angeschaut und gemerkt habe: Da passiert doch nichts! Da kommen keine Besucher. Wie wollen wir denn Leads generieren? Was erzählen wir unseren Kunden? Wir haben intern viel darüber gesprochen, welche Maßnahmen wir einleiten. Und haben erst einmal ein realistisches Bild davon bekommen, dass wir geduldig sein müssen. Wir haben daraufhin die Kommunikation den Kunden gegenüber angepasst, sind sehr viel transparenter geworden, haben deutlich mehr Wert auf realistische Erwartungshaltungen gelegt. Die Strategie ging auf: Wir haben relativ wenige Kunden verloren. Wir mussten ein paar Kompromisse eingehen für dieses Jahr, das haben wir wieder aufgeholt. Das waren die ersten frustrierenden Momente, in denen Wunsch und Wirklichkeit auseinander gingen.

Was war ausschlaggebend dafür, dass ihr euch irgendwann von Stockholm abgenabelt und einen deutschen Firmensitz gegründet habt?

Der Business-Grund war, dass wir die Verstärkung, die wir in Stockholm hatten, immer nur für kurze Zeit hatten. Das waren engagierte junge Leute, die einfach mal ein halbes Jahr im Ausland leben wollten. Dann waren sie ein halbes Jahr da und waren danach wieder weg. Mit jemand Neuem braucht es wieder seine Zeit und eigentlich will man ja in einem Team arbeiten, das man gut kennt und mit dem man konstant gut aufgestellt ist. Uns war klar, dass uns das in Stockholm nicht gelingen würde. Das war ein Aspekt.

Ein anderer war: Ich hatte Heimweh und wollte zurück nach Deutschland. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass ich mich deshalb von der EMG würde trennen müssen. Aber die hat das zum Anlass genommen, um zu sagen: Wir nutzen die Chance, gehen nach Deutschland und haben da bessere Chancen fürs Recruiting. Und so sind wir nach Deutschland gekommen: nach Mannheim.

Was hast du aus den zweieinhalb Jahren, in denen du in Schweden gelebt hast, für dich mitgenommen?

Ich habe das ja anfangs mit einem Augenzwinkern eingeleitet: Ich kenne Ikea, also kenne ich die Schweden. Das sind süße Nordeuropäer, irgendwie wie wir Deutsche, nur ein bisschen netter. Dann kam der erste Kulturschock. Bei den Schweden spielt die Kommunikation und das Socializing eine große Rolle. Sie gucken, dass es dem Individuum gut geht. Da war ich in meinen ersten Monaten ein echter Exot, weil es mir um die Produktion ging. Der Rest, das Soziale, war für mich deutlich weniger relevant. Ich habe jeden Mittag hinter meinem Rechner zu Mittag gegessen, weil: Keine Zeit! Wir müssen produzieren und vorankommen! Die anderen haben das schmunzelnd beäugt und gesagt: “Wir gehen jetzt mal entspannt Mittagessen.” Also ich habe auf jeden Fall Mittagspause gelernt, das ist vielleicht eines der profanen Dinge. Aber ich habe vor allem gelernt, dass das Ziel nicht alles ist. Es ist schön, ein Ziel und einen Actionplan zu haben. Aber das ist eher die Idee, die uns in Bewegung bringt. Du läufst los, sollst irgendwo ankommen und vielleicht ist es am Ende sogar die Richtung, die du angestrebt hast. Aber es passiert immer auch Unplanbares. Wenn du immer am Actionplan festhältst und glaubst, dass das Ziel, das du am Anfang mal gesetzt hast, der Maßstab aller Dinge ist, kriegst du gar nicht mit, was du wirklich erreichst. Das ist eines der prägnantesten Dinge, die ich mitgenommen habe. Und dass ich auch das Geschäftige, dieses augenscheinlich beschäftigt sein, etwas ablegen konnte. Es gehört leider noch immer zu unserer Kultur zu zeigen, wie beschäftigt man ist. Durch die Zeit in Schweden kommt es mir inzwischen viel mehr auf den eigentlichen Inhalt an. Was kommt tatsächlich auf die Straße? 

Ist dieses Socializing tatsächlich typisch schwedisch?

Diese Erfahrungen haben natürlich mein Bild von Arbeiten in Schweden sehr stark geprägt. Ob das jetzt am Ende wirklich so schwedisch ist, ist eine andere Frage. Ich habe aber gemerkt, dass es Teil der Kultur ist, dass wirklich jeder gehört wird, die Meinung von jedem relevant ist und dass das alles Einfluss nimmt auf die Entscheidungen der Gesellschafter. Dieser hohe Anspruch an Führungskräfte war etwas, dem ich in meinen ersten Führungstätigkeiten überhaupt erst mal gerecht werden musste. Ich konnte nicht unbemerkt kommunikativ Fehler machen, die sich auf das Team auswirken. So etwas macht eine Führungskraft bei der EMG nicht. Deshalb habe ich das natürlich so abgespeichert: So tickt Schweden.

Wie hat sich kursfinder.de im Laufe der Zeit gewandelt, als das Team sukzessive gewachsen ist?

Es ist das Baby von viel mehr Personen geworden. Aber dennoch: kursfinder.de hat nie an Profil verloren. Wir haben es im Team immer hingekriegt, dass es ein gemeinsames Profil gab und immer noch gibt. Dass es um Qualität geht, dass es um persönliche Beziehung geht, sowohl zu unseren Nutzern als auch zu unseren Kunden. Durch dieses Getragenwerden von mehreren Schultern hat kursfinder.de an Profilschärfe gewonnen. Es ist mit der Zeit immer schwieriger geworden, dieses Profil umzustoßen, weil ihr alle das so in euch getragen und mitgelebt habt jeden Tag. Für mich ist es damit sehr viel substanzieller und professioneller geworden. Jedes neue Team-Mitglied hat noch einmal eine Extra-Wirkung auf kursfinder.de gehabt. Es war unfassbar schön, das mitzuerleben und zu sehen, wie sehr das Einfluss nimmt auf das, was User und Kunden wahrnehmen und welche neuen Ideen dabei entstehen.

Was waren die größten Herausforderungen in deiner Zeit als Geschäftsführerin?

Ich glaube, den Brückenschlag zu schaffen zwischen dem Team in Mannheim und dem Stammsitz in Schweden. Es war schwer, die Kommunikation aufrecht zu erhalten, und die Schweden immer mitzunehmen bei allem, was bei uns gerade so passiert. Das war wohl die größte Herausforderung und nicht gerade meine Kernkompetenz. Da hat Ingmar einen unglaublich guten Job gemacht, weil er ja in Schweden geblieben ist. Das hat uns geholfen, die Kommunikation und Transparenz gegenüber den Gesellschaftern zu pflegen, so dass sie sich nicht abgehängt fühlten. Ich glaube, das ist gerade bei einem Start-up eine Soll-Bruch-Stelle: dass sich die Tochtergesellschaften irgendwie verselbständigen und man den Grad zwischen Selbstständigkeit und Dranbleiben hinkriegen muss. Das ist uns hauptsächlich im Team gelungen. Für mich war das eine persönliche Herausforderung. 

Es gab aber ganz viele herausfordernde Dinge. Zum Beispiel den richtigen Weg zu finden, wie wir mit den vielen tollen Anbietern umgehen, die zwei, drei sehr spezielle Programme haben. Wie können wir die auf kursfinder.de gut präsentieren, so dass sie gesehen werden und die richtige Zielgruppe erreichen? Das waren Produktherausforderungen, die uns lange beschäftigt haben und euch vermutlich auch heute noch beschäftigen. Aber am schwierigsten war tatsächlich, Teil der Educations Media Group zu bleiben und trotzdem das zu tun, was am deutschen Markt wichtig und richtig ist.

Du hast inzwischen ein bisschen Abstand von kursfinder.de gewonnen. Wie blickst du heute auf kursfinder.de?

Was kursfinder ausmacht, dass es vom Team getragen wird, das hat sich zu 100 Prozent bewiesen. Selbst jetzt, in herausfordernden Zeiten, erkennt man, dass ihr weiterhin sehr professionell einen guten Weg geht. Das zeigt, dass wir eigentlich alles richtig gemacht haben. Dass die Idee nicht an Einzelpersonen hängt, sondern immer von mehreren getragen wird. Was ihr alles auf die Straße bringt, gerade die Aktionswoche Lernen², hat immer etwas Innovatives und Nachhaltiges. kursfinder.de habe ich immer als nachhaltig empfunden. Es waren selten Schnellschüsse dabei. Es waren wenige, aber sehr gute Sachen, für die wir uns entschieden haben und ihr euch jetzt entscheidet. Das nehme ich aus meiner jetzigen Rolle wahr: Wenn ihr etwas anfangt, meint ihr das auch so. Dann habt ihr einen langen Atem und es lohnt sich, da genauer hinzugucken: Was umtreibt das kursfinder.de-Team gerade? Und dann mitzumachen. Wann immer ich jetzt in den Kontext komme, über Weiterbildung nachzudenken, geht mein erster Weg zu kursfinder.de. Es ist schön, aus heutiger Sicht zu sehen, dass die Dienstleistung sehr gut ist. Es macht Spaß, das extern zu beobachten.

Was wünschst du kursfinder.de zum 10. Geburtstag?

Für alle, die sich beruflich mit Weiterbildung beschäftigen, sei es als Personalentwickler oder als Anbieter von Weiterbildungen, kann kursfinder.de eine Idee und Weiterentwicklung sein. Ich wünsche kursfinder.de, dass diese Community von Leuten, die das Thema Personalentwicklung professionalisieren und alles drum herum wissen wollen, bei kursfinder.de die Plattform zum Austausch finden, dass da Netzwerk und Austausch – Community eben – rund um kursfinder.de entsteht. Das würde unglaublich gut passen zur persönlichen Note und zum authentischen “Wir wollen wissen, was andere denken, wie sie Wissen weitertragen”. Ja, ich glaube, das würde kursfinder.de sehr gut stehen. 

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